Tove Jansson und ihre Moomins

Tove Jansson ist wohl die international bekannteste finnische Autorin. Ihr Werk wurde in über 50 Sprachen übersetzt und die finnische Regierung ehrt sie mit der Empfehlung, an ihrem Geburtstag die finnische Flagge zu hissen. Ihre Moomin-Geschichten haben sie zu einer Ikone gemacht. 
Doch der Weg dahin war weder leicht, noch von ihr so vorhergesehen. 
Was waren Tove Janssons eigentliche Pläne für ihr Leben, wie kam sie zu den Moomins und wie wurden die so bekannt? 

Tove Jansson auf der Insel Klovharun. © Per Olov Jansson

Tove Jansson

Das Wichtigste kompakt: 
Tove Jansson war Finnin, verfasste ihre Werke aber auf Schwedisch, da sie Finnland-Schwedin war. Sie lebte von 1914 - 2001, hatte 2 jüngere Brüder (Per Olov 6 Jahre und Lars 12 Jahre jünger) und studierte Bildende Künste in Helsinki, Paris und Florenz. Von Beruf schrieb und zeichnete sie - sie war u.a. politische Karikaturistin, Illustratorin, Malerin und Autorin. Ab der Legalisierung der Homosexualität in Finnland 1971 lebte sie offen lesbisch und liebte das Reisen und das einfache Leben in Isolation auf den kleinen Inseln Finnlands. 
Ihre Eltern waren selbst beide Künstler und unterstützen Tove Janssons früh gefassten Plan, Malerin zu werden. Das hätte sie auch fast geschafft, wären da nicht der 2. Weltkrieg und der Sexismus auf dem Kunstmarkt gewesen... So war sie darauf angewiesen, ihren Lebensunterhalt mit Illustrationen und den Moomins zu verdienen. Die waren nämlich zunächst ein Nebenprojekt, um Geld zu verdienen und es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich mit der Identität nicht als Malerin, sondern als Schöpferin der Moomins angefreundet hatte.
Daneben schrieb Tove Jansson weitere Romane, Theater-Stücke und ein Opern-Libretto, von denen viele, aber nicht alle im Moomin-Universum spielen und die sich auch an Erwachsene richten. 

Der erste Moomin 

Und woher kommt nun die Figur des Moomin? 
Der erste Moomin war nicht mehr, als eine Kritzelei auf einer Haus-Wand. 
Mitten in einem philosophischen Streit, den Tove in den 1930er Jahren im Sommer-Urlaub auf einer Insel mit ihrem mittleren Bruder Per Olov führte, zitierte sie Immanuel Kant. Per Olov schoss sofort zurück und als Reaktion darauf malte Tove das hässlichste, was sie sich ausdenken konnte, um ihn zu ärgern. Neben diesen schnell gezeichneten, langnasigen, arm- und ohrenlosen mürrischen Troll schrieb sie das Wort Snork (wie das Geräusch eines gereizten Schnaufens) und als letzte Antwort an Per Olov den Satz Freedom is the best thing (Freiheit ist die beste Sache). Damit entschied sie den Streit wohl für sich. 

Der erste Moomin bzw. Snork. In: Gravett, Paul: Tove Jansson. Bibliothek der Illustratoren.  S. 35. ©Midas Verlag AG  Selbstportrait mit kleinem Moomin. In: Gravett, Paul: Tove Jansson. Bibliothek der Illustratoren. S. 8. ©Midas Verlag AG  Cover der ersten Ausgabe der Zeitschrift Var Tid, dabei ein früher Mumin, 1945. In: Gravett, Paul: Tove Jansson. Bibliothek der Illustratoren. S. 28. ©Midas Verlag AG

Inspiration für die Moomins

Später erzählte sie, was ihre Inspiration für dieses Troll-Wesen gewesen war: 

Für das Aussehen diente die Natur als Vorlage. Ein mit Schnee bedeckter Baumstumpf wirkte auf Tove Jansson wie eine große, runde, weiße Nase, die herunterhing. Das inspirierte die langen Schnauzen der Trolle. 

Der Name der Moomins kommt von ihrem Onkel Einar Hammarsten, dem Bruder ihrer Mutter Signe Hammarsten-Jansson. Als Kunststudentin lebte sie einige Zeit bei ihm in Stockholm. Jung und immer hungrig wie sie war, bediente sie sich öfter nachts an der Speisekammer. Ihr Onkel - von Beruf Arzt und stets auf ihre Gesundheit bedacht - versuchte, sie vom nächtlichen Snacken abzuhalten und erzählte ihr Geschichten von Moo-oomins, kleinen Trollen, die nachts herauskommen und ihre kalten Nasen an ihre Beine drücken und ihr kalt in den Nacken blasen würden. Diese Trolle lebten hinter dem Kachelofen in der Küche. 
Dieser Insider zwischen Tove Jansson und ihrem Onkel fand Eingang in ihre Tagebücher und wurde zur Darstellung ihrer Ängste. Damals noch Geist-artig, später schwarz, mit langer, dünner Schnauze und oft ohne Ohren, Armen oder Schwanz. 

Die Moomins treten in die Öffentlichkeit

Wie bereits im letzten Post beschrieben, schrieb Tove Jansson ab 1939 an ihrer ersten Geschichte über die Moomins. Doch sie musste sich bald wieder dem Geld-Verdienen widmen und arbeitete ab 1940 als Illustratorin für das Magazin Garm. Hier schmuggelte sie immer wieder ihren Snork bzw. Moomin in Bilder hinein, bis der zu ihrem Markenzeichen geworden war. Mit der Zeit wurde der Troll immer runder und wohlwollender. 

1945 erschien dann mit dem Titel Mumins lange Reise die erste Moomin-Geschichte. Doch weder dieses, noch das darauffolgende Buch Komet im Mumintal aus dem Jahr 1946 wurden zu einem Erfolg, beide verkauften sich recht schleppend. (Dennoch sollte Komet im Mumintal den Moomins zu weiterer Popularität verhelfen, denn Tove Jansson arbeitete den Stoff der Geschichte auch als Theaterstück und als Comic um.)
Doch davon ließ sich Tove Jansson nicht beirren, unbeirrt und selbstverständlich schrieb sie weiter. 
Erst mit Band 3 Eine drollige Gesellschaft stellte sich der Erfolg ein, dieses Buch wurde auch ins Englische übersetzt. 
Spätestens das Kinderbuch Hur gick det sen? Boken om Mymlan, Mumintrollet och lilla My (Mumin sucht die Kleine My) von 1952 verhalf den Moomins in Finnland zum Durchbruch. Es ist mit Gucklöchern und Aussparungen gestaltet, was gerade kleine Kinder spannend finden. 

Von der Identität der Malerin.... Smoking girl. Self portrait by Tove Jansson 1940. © Tove Jansson  ... zur Schafferin der Moomins. Tove Jansson’s selfportait with the Moomins. © Moomin Characters™  Bleistift-Entwürfe für die ersten 3 Moomin Comic Strips in der Zeitung. In: Gravett, Paul: Tove Jansson. Bibliothek der Illustratoren. S. 58. ©Midas Verlag AG

Die Moomins werden prominent

Die Moomins traten ab Ende der 1940er und Anfang der 1950er einen Triumph-Zug an. 
1947 erschienen die ersten Moomin-Comics auf Schwedisch in der sozialistischen schwedisch-sprachigen Zeitung Ny Tid (Neue Zeit). Die Einladung, ihre Geschichte Komet im Mumintal als Comic für die Kinder-Seite zu verfassen, ging von Tove Janssons gutem Freund Atos Virtanen aus, der Chefredakteur der Zeitung war. 
Nur ein Jahr später begann Tove Jansson, den Stoff aus dem Buch für ein Theaterstück umzuschreiben, das ihre Geliebte Vivica Bandler 1949 inszenierte. Parallel entstand der nächste Band in der Reihe der illustrierten Romane Eine drollige Gesellschaft. Ab da erschien alle 3-5 Jahre ein weiteres Buch, die alle erfolgreich waren. 

1952 sollte ein weiterer Stein ins Rollen kommen: Die Verlagsgruppe der London Evening News, der weltweit am meisten verkauften Abendzeitung, zeigte Interesse an Comic-Strips zu den Moomins. Und die Briten machten Ernst: Tove Jansson erhielt eine Festanstellung mit regelmäßigem Gehalt als Comic-Autorin, es folgten intensive Treffen und künstlerische Abstimmungen, 2 Jahre der Vorbereitung, und dann 1954 kurz vor Beginn der Serie, wurde dieses intensiv beworben und das erste Merchandise kam heraus. 
Diese Zusammenarbeit war für Tove Jansson Fluch und Segen zugleich. Zwar entwickelte sie ihren Stil weiter, die Moomins erhielten ihr endgültiges Aussehen, Tove Jansson hatte eine Möglichkeit, ihre Moomins einem breiten Publikum zu zeigen (die Comics wurde sehr schnell populär und wurden in 120 Zeitungen in 40 Ländern veröffentlicht und erreichten so Millionen von Leserinnen und Lesern) und von ihrer Kunst zu leben. Doch gleichzeitig schufen die Strips einen enormen Schaffens-Druck, zu produzieren und zu veröffentlichen.
Diese Zusammenarbeit band alle ihre Kapazitäten an die Moomins. Ihr eigentlicher Traum, Malerin zu werden war damit passé. Zudem kam die öffentlichen Auftritte als Moomin-Autorin und der Merchandise-Boom, denn Tove gestaltete ab jetzt auch Werbung und weitere Illustrationen über die Moomins. Außerdem beantwortete sie wirklich jeden Leserbrief persönlich von Hand. 
So stellte sie ihre Arbeit an den Comics 1959 vor Vertrags-Ende ein. Ihr Bruder Lars Jansson, der schon länger die Texte der Comics ins Englische übersetzt hatte, übernahm ab da die Autorschaft der Comics und führte die Geschichten bis 1975 alleine weiter. 

Und Tove Jansson? 
Die schuf weitere Romane, Theaterstücke, Wandbilder, Illustrationen (sie illustrierte z.B. die finnische Erstausgabe von Tolkiens Hobbit), Liedtexte, Malbücher, Werbung (u.a. für Fazer) - einfach alles. 1974 kreierte sie sogar mit dem finnischen Komponisten Ilkka Kuusisto eine Moomin-Kinderoper, zu der sie das 1-stündige Libretto schrieb. Außerdem gestaltete sie mit ihrer Partnerin Tuulikki Pietilä diverse Tableaus aus ihren Geschichten für das Moomin-Museum in Tampere. 
Bis zu ihrem Tod blieb sie den Moomins verbunden, auch wenn sich ihr Schaffen weit über die weißen Trolle hinaus bewegte. 

Bis heute entstehen neue Bearbeitungen der Geschichten, etwa als Serie im Fernsehen oder von Tove Janssons Geschichten inspirierte Kinder-Bücher. Und die Erzählungen verfangen mit ihrem Zauber, mit ihrer Selbstverständlichkeit, die keine Erklärung nötig macht. Das Moomintal ist ein Ort der Gemeinschaft, hier ist die Familien-Idylle intakt, hier ist ein Leben in einer offenen Gesellschaft möglich, in die auch Fremde integriert werden. Eine wertvolle Lektüre, die sich an Kinder und Erwachsene richtet und jeden Tag Toleranz sät. 

Tove and her brother Lars Jansson. © Per Olov Jansson

Quellen: 

Gravett, Paul: Tove Jansson. Bibliothek der Illustratoren. Zürich 2022.

Hoff, Karin; Rühling, Lutz (Hg.): Kindler Kompakt: Skandinavische Literatur 20. Jahrhundert, S. 114-116, Deutschland, 2017. 

https://www.moomin.com/en/blog/introduction-moomin-born/#19abe1b1 

https://www.moomin.com/en/blog/the-story-of-moomintrolls/#bac91598

https://tovejansson.com/

https://zepe.de/mumin/ilsa.php

Tove (Film) 2020. Regie: Zaida Bergroth.