Mari-Girls, was ist das?
Wie Sie sicher bereits im Blog-Post über Marimekkos Geburtstag gelesen haben, hatte die Gründerin von Marimekko Armi Ratia eine Vision für ihr Unternehmen:
Mari überall
Armi Ratia wollte einen neuen Lebensstil begründen, in dem alles Visuelle vom Design Marimekkos geprägt ist und Freude in den Alltag bringt. Sie wollte ein Dorf schaffen, in dem wirklich alles von Marimekko entworfen wurde und mit Marimekkos Geist durchdrungen ist.
Es sollte von A bis Z alles geben, von Mari-Häusern bis zu Mari-Sonnenbrillen. Aus diesem Gedanken heraus erschließt sich auch der Name der Firma: Marimekko bedeutet Maris Kleid. Und Armi Ratia nannte ihre Angestellten liebevoll Mari-Girls, und diesen Kose-Namen übertrug sie auch auf alle, die die Kleidung von Marimekko trugen.
Mari-Girls
Ein Mari-Girl ist der Inbegriff einer modernen, intellektuellen Person, die Humor hat und an Kunst und Kultur interessiert ist. Sie ist anspruchsvoll, selbstbewusst und sexy, ohne zwingend in gängige Schönheits-Raster passen zu müssen. Einfach feminin. Sie ist eine selbstständige und unabhängige Frau, die direkt kommuniziert und liberal eingestellt ist. Typisch 1960er, ist sie eine gute Mutter und kann das Gefühl eines gemütlichen zu Hause schaffen - ob durch Stimmungen, die sie geschickt durch die Einrichtung kreiert oder durch ihr Koch-Talent. Gleichzeitig lebt sie sich im Beruf aus, ist phantasievoll und kooperativ. Auch wenn sie in der Stadt lebt, liebt das Mari-Girl die Natur. Sie ist offensichtlich Feministin, ohne dies aussprechen zu müssen.
Ein Mari-Girl ist ein Kind seiner Zeit, mit dem Anspruch, in dieser gleichzeitig fortschrittlich zu sein.
Annika Piha als perfektes Mari-Girl
Als perfekte Verkörperung des Mari-Girls wurde oft Annika Piha (später verheiratete Rimala) genannt, die auch Textil-Designerin bei Marimekko war. Für Marimekko entwarf sie unter anderem die Muster Tasaraita und Keidas. Sie war wohl das, was man heute als Influencerin bezeichnen würde.
Sie war Fashion Trendsetterin, lebhaft und offen, liebte Architektur, (russisches) Kino, (amerikanische) Architektur und Jazz. Annika Piha / Rimala hatte sich nicht gescheut, ihre erste Ehe scheiden zu lassen, lebte mit einer Patchwork-Familie und liebte es, Freunde zu Gast zu haben und ihr zu Hause regelmäßig neu zu dekorieren.
Die Vorstellung des Mari-Girls verbreitete sich in den 1960er-Jahren besonders durch aufstrebende Magazine über Finnlands Grenzen hinaus, ohne alle Aspekte des gewünschten Charakters in jedem Kulturkreis übernehmen zu müssen. Europa-weit und in den USA beschäftigten sich Frauen-Magazine mit den Eigenschaften eines Mari-Girls und passten diese regionalen Vorstellungen und dem Zeitgeist an.
Hier Beispiele aus der Elle (1965), der Vogue (1965), der Gioa (1964) und dem Norsk Dameblad (1960):
Feminismus bleibt
Der Begriff verschwand allerdings von der Bildfläche mit dem Altern derer, die er in den 1960ern so treffend bezeichnete. Die einst fortschrittlichen Eigenschaften der Mari-Girls wurden (zum Glück) für viele Frauen zur Selbstverständlichkeit und so ist es kein Wunder, dass auch jüngere Frauen heute selbstverständlich Marimekko tragen und sich mit dem Geist, der dahinter steckt, identifizieren.
Und ganz ehrlich, sind wir Marimekko-Trägerinnen nicht alle ein bisschen Mari-Girl, ohne alle Aspekte erfüllen zu müssen? Egal, wie alt wir sind?
Quellen:
Rahikainen-Haapman, Hiikka et al. (Hg.): Phenomenon Marimekko. S. 55-56. Finnland 2004.
https://www.marimekko.com/eu_en/maripedia/designers/annika-rimala
Bildnachweis:
Rahikainen-Haapman, Hiikka et al. (Hg.): Phenomenon Marimekko. S. 55 + 56 + 124. Finnland 2004.