Lucia, das nordische Lichterfest

Lucia - da kommen Bilder hoch von Mädchen, die weiße Kleider tragen und eine Kerze in der Hand halten, von der Lucia mit der Lichter-Krone und von Sternenjungen, von Kerzenlicht und Lussekattern, von Liedern und Schneeknirschen. Alte Traditionen und Bräuche, wie herrlich.
Alte Traditionen und Bräuche? Was genau hat es mit dem Fest auf sich, das im Norden so wichtig ist, kurz vor Weihnachten gefeiert wird und hier kaum eine Rolle spielt? Woher kommt es, wie wird es gefeiert, was macht es so besonders?
Hier ein paar Einblicke in das Nordische Lichterfest.

Lucia mit der Lichterkrone und einem weißen Kleid  Lucia-Chor mit Jungfrauen und Sternenjungen in Berlin auf dem Schwedischen Julbasar

Geschichte und Geschichten

Die christliche Legende und ihre Verbreitung

Der 13. Dezember ist der Tag der Heiligen Lucia von Syrakus auf Sizilien. Der Legende nach lebte sie im 3. Jahrhundert und konvertierte zum christlichen Glauben. Sie legte ein Keuschheitsgelübte ab, verweigerte ihrem versprochenen Ehemann die Hochzeit und brachte anderen - zu der Zeit verfolgten - Christinnen und Christen Lebensmittel in deren Verstecke. Damit sie die Hände frei hatte, soll sie ein Licht auf dem Kopf getragen haben, um im Dunkeln den Weg zu finden. Das bekam der verschmähte Bräutigam heraus, lieferte sie an die Obrigkeit aus und Lucia wurde daraufhin nach mehreren missglückten Versuchen letztlich durch einen Schwertstoß als Märtyrerin hingerichtet.
Bereits im 7. Jahrhundert war ihr Gedenken in ganz Italien verbreitet und verfestigte sich.

Wie kommt es nun zur Verehrung dieser aus Italien stammenden, katholischen Heiligen im protestantischen Norden?
Einen wichtigen Schritt in Richtung Norden machte die Verehrung Lucias im Mittelalter, als Reliquien der Heiligen nach Metz im heutigen Frankreich gebracht wurden. Von hier aus stieg die Bekanntheit Lucias in ganz Europa.
Als Schweden noch katholisch war, galt Lucias Gedenktag als Feiertag, wurde aber nicht in großem Umfang gefeiert und nach der Reformation verschwand die Bedeutung des Tages praktisch.

Dass sie als Lichtbringerin gilt, kann nicht der einzige Grund sein, warum sie heute so gefeiert wird, denn etwa der wichtigste Heilige des Nordens, König Olav, wurde ebenfalls mit Licht assoziiert und ist kaum über den Norden hinaus bekannt.
Es bedarf also eines tieferen Blickes in die Geschichte und in Erzählungen, um die Mischung aus vorchristlichen, christlichen und ja, Überraschung, modernen Bräuchen zu verstehen.

Wintersonnwende und Lussi

In der alten Zeitrechnung des julianischen Kalenders, der bis ins 16. Jahrhundert vor dem heute gebräuchlichen gregorianischen Kalender galt, zählte der 13. Dezember als Tag der Winter-Sonnwende und somit kürzester Tag mit der längsten Nacht.
In dieser Nacht, so die Erzählungen, ritt die Göttin Lussi durch die Lüfte, begleitet von einer wilden Horde, der Lussiferda. Außederm konnten der Sage nach die Tiere in ebendieser Nacht sprechen und berichteten Lussi von allem, was sie gesehen hatten, dem Guten und dem Bösartigen. Lussi konnte bestrafen und galt gleichzeitig als Lichtbringerin, da die Tage nach der ihr zugeschriebenen Nacht wieder länger wurden.
Bestraft wurden auch diejenigen, die zur Lusse-Nacht noch nicht alle Weihnachts-Vorbereitungen abgeschlossen hatten, es mussten etwa Tiere geschlachtet, alle Vorräte aufgefüllt, bestimmte Handarbeiten erledigt und der Kamin gereinigt sein. Denn der 13. Dezember war gleichzeitig auch der Beginn einer kleinen Fastenzeit vor Weihnachten, in der man ruhen und nicht üppig essen sollte.
So kam es, dass die verbliebenen Tiere vor dieser Nacht besonders üppig gefüttert wurden, dass viele Menschen die Nacht über wach blieben und arbeiteten und später, dass Jugendliche durch die Nachbarschaft zogen und in Heischebräuchen Lebensmittel und Schnaps erbaten.
Andernorts wurde eine Person oder Strohpuppe als Lussi verkleidet und Jugendliche trieben ihr Unwesen damit.

Der Name Lucia kommt vom Lateinischen Lux, was für Licht steht und ebenfalls den Ursprung des Namens Luzifer darstellt - es zeigen sich beide Seiten der Figuren. Auch Lussi klingt dem Ganzen sehr nahe und so ist es nicht verwunderlich, dass Lucia gerne angenommen wurde und es zu Überlagerungen kam.
Kann man also von einer Durchdringung von Christentum und alten, heidnischen Bräuchen sprechen? Nun ja, wohl kaum, denn das Lucia-Fest, wie wir es heute kennen ist keine 100 Jahre alt...

Lucia Konzert mit Sternenjungen, die spitze Hüte tragen

Die Entwicklung zum heutigen Lucia-Fest

Die Figur der Lucia, wie wir sie heute kennen, ist das erste mal in Westschweden in Västergötland 1764 im Gutshofs-Milieu belegt, als weißgekleidete Figur mit Engelsflügeln und Kerzen in den Händen. In der Figur einer weiblichen Person mit Kerzen auf dem Kopf vermischen sich die deutsche Tradition des Christkinds, das damals oft so abgebildet wurde, mit Lucia.
Der Brauch wurde beliebt und verbreitete sich über Universitäts-Städte, Schulen und Organisationen im ganzen Land. Das berühmte Freilicht-Museum Skansen in Stockholm feierte Lucia zum ersten Mal in den 1890er-Jahren. Seit dieser Zeit ist es auch üblich, dass ein als Lucia verkleidetes Mädchen Gebäck und Kaffee verteilt.
Der Brauch kam gut an und wurde um die Jahrhundert-Wende im ganzen Land populär. Denn da die Sitten deutlich geordneter als die wilden Gruppen der jungen Menschen, die die Lussi-Nacht feierten, verliefen, war es kein Wunder, dass die Kirche und der Staat es gerne sahen und bestärkten, als mehr Menschen in Städte zogen und ihre alten Rituale ablegten, um sich den geordneten Lucia-Bräuchen zuzuwenden. 
Umzüge, zunächst nur aus Lucia und wenigen sie beleitenden Jungfrauen bestehend, wuchsen und wurden zusätzlich von Sternen-Knaben mit spitzen Hüten begleitet. Sehr viel später kamen dann noch Lebkuchen-Männer und Wichtel hinzu.
Seit 1927 wird in Stockholm, später auch in jedem anderen Ort, der etwas von sich hält, eine Lucia gekrönt und über die Medien, meist die Zeitung, gewählt.
Nach und nach kamen Lucia-Lieder dazu und es bildete sich die Tradition von Lucia-Konzerten.
Spätestens seit den 1960er Jahren sind die Bräuche flächendeckend verbreitet und werden im ganzen Norden gefeiert.

Staffan

Wer einmal ein Lucia-Konzert besucht hat, weiß, dass dann (genauso später zu Weihnachten) immer auch ein anderer Heiliger besungen wird: Der Heilige Staffan, bei uns Stephanus genannt. Sein Namens-Tag ist am 26. Dezember, also am 2. Weihnachts-Feiertag. Er steht eng im Zusammenhang mit Bräuchen rund um Pferde, was garantierte, dass die Heiligenfigur im pferdefreundlichen Norden gut angenommen wurde.
Nachdem die Tiere an Weihnachten traditionell nicht ausgeführt wurden, da ja Feiertag war, erfolgte dies am 26. Dezember dann ausgiebig. Mancherorts gibt es Pferdereiten oder Prozessionen und an wieder anderen Orten sieht man Pferdehalterinnen und Pferdehalter, die auch in den Städten ihre Tiere an diesem Tag ausführen.
Die Lieder rund um Staffan behandeln seine Nähe zu Pferden, einer Legende nach war er ein Knecht im Stall von Herodes und entdeckte den Weihnachts-Stern beim Tränken der Pferde als Spiegelung im Brunnen. So soll er auf die Ankunft des Messias geschlossen haben. Später war Staffan der Legende nach der erste Märtyrer der Christentums.

Lucia Konzert in Berlin in der Schwedischen Gemeinde mit Lucia, Sternenjungen und Jungfrauen

Bräuche und Feierlichkeiten heute

Die heute zelebrierten Bräuche unterscheiden sich teils je nach Region und haben unterschiedliche Ursprünge. Einige werden im ganzen Norden begangen, andere variieren.
Hier die wichtigsten Elemente.

Die Lucia-Prozession

Angeführt von einem Mädchen mit einer Lichterkrone, zieht eine Prozession von weiß gekleideten Jungfrauen, Sternenjungen mit spitzen Hüten, teils auch verkleideten Wichteln und Lebkuchen-Männern durch die Straßen und singen Lucia-Lieder. (Die Lebkuchen-Männer waren Teil einer Blackfacing-Diskussion, an manchen Orten sind sie daher inzwischen wieder verschwunden.)
Besonders eindrucksvoll wirkt das, weil die Prozession meist am frühen Morgen oder abends stattfindet, also dann, wenn es dunkel ist und die - inzwischen vielerorts elektrischen - Lichter besonders stimmungsvoll leuchten.

Kaffee und Lussekatter

Das älteste Mädchen im Haus steht besonders früh auf, zieht ein weißes Kleid an, nimmt eine Kerze und bringt allen anderen Personen im Haushalt Lussekatter und Kaffee oder Kakao ans Bett. Dabei singt sie Lucia-Lieder.
Allgemein werden zu Lucia Lussekatter gebacken und gegessen. Mehr dazu weiter unten. Man trinkt entweder Kaffee oder Glögg, also Glühwein.

Lucia-Konzerte

Die Lieder der Prozessionen gibt es auch vielerorts in Lucia-Konzerten zu hören. Dann wird die Prozession auf einen feierlichen Einzug in den Konzert-Saal (meist in Kirchen) verkürzt.
Aber auch viele Schulen und Kitas üben mit den Kindern kindgerechte Lucia-Lieder ein und zeigen ihr Können dann in einem Konzert für die Eltern. Die Lucia muss ausgelost oder gewählt werden, denn alle wollen Lucia sein. Die Kinder verkleiden sich entsprechend ihrer Rollen und singen mit Kerzen oder elektrischen Lichtern in den Händen. 
Ein beliebtes Lied in Schweden ist etwa Tiptapp, das die Weihnachts-Wichtel besingt.

Die Wahl der Lucia

Wie bereits erwähnt, wollen alle gerne die Lucia darstellen. So entscheidet im Kleinen oft das Los, wer gewinnen darf.
Aber auf größerer Ebene gibt es im sonst so egalitären Norden tatsächlich Wahlen. Meist werden die Kandidatinnen in der Zeitung, inzwischen allgemein in den Medien, präsentiert und die Bevölkerung aufgefordert, ihre Stimme abzugeben. Das führte früher oft zu blonden, normschönen Lucias, doch inzwischen gibt es auch hier deutlich mehr Durchmischung.

 

Lussekatter

Zu Lucia werden Lussekatter gebacken, das beliebte Safrans-Gebäck in verschiedenen Formen, am häufigsten findet sich das S mit 2 eingerollten Seiten. Woher genau der Name und diese Tradition kommen, ist nicht ganz klar, doch verschiedene Ansätze sind bekannt:

  • Im Norden gab es eine lange Tradition, zu Feiertagen Bildbrote zu backen, die man entweder mit den Nachbarn oder mit den Armen teilte. Lussekatter können ein Überbleibsel dessen sein.
  • Um die Göttin Lussi zu besänftigen, damit sie kein Leid bringe, backte man ihr süßes Gebäck. Dieses Gebäck, später dem Teufel gewidmet, nannte man dövelskatt, was auf deutsch Steuer des Teufels bedeutet. Katt würde sich somit auf eine Art Besänftigung des Teufels und nicht auf das schwedische Wort für Katze beziehen.
  • Lussekatt kann aber auch als Lusse-Katze übersetzt werden. Das nähme Bezug auf die Nähe der Tiere zum Bösen - die Katze ist ja auch ein Attribut von Hexen. Dann würde sich die Form auf eingerollte Schänze von Katzen beziehen.
  • In der kürzesten Nacht des Jahres blieben viele Menschen wach und schliefen nicht. Es wurde unter anderem auch gebacken. Bis heute wachen manche die ganze Nacht und backen, damit die Lussekatter, ein Hefegebäck, frisch sind.
  • Safran als gelb-färbendes Gewürz erinnert an die Sonne und das verjagt den Teufel. Lussekatter könnten auch auf dieser Ebene ein Schutz gegen das Böse gewesen sein.
  • Das Gewürz Safran ist teuer, somit war es sicherlich auch ein Statussymbol, Lussekatter backen und teilen zu können.

Sie wollen noch mehr über Lussekatter erfahren? Hier gibt es mehr Informationen zu den Formen und auch ein wirklich leckeres Rezept.

Wie alt die Tradition der singenden Jungen und Mädchen mit Lichtern nun wirklich ist, spielt letztlich keine Rolle. Lucia zu feiern, bedeutet, sich auf die Bedeutung des Lichts zu besinnen, sich auf Weihnachten vorzubereiten, das Geheimnisvolle und Schwere zu zelebrieren und auch, Lussekatter und Glögg in Gemeinschaft zu genießen.
Wenn Sie die Möglichkeit haben, besuchen Sie einen Lucia-Gottesdienst oder ein Konzert, die Stimmung ist einzigartig.

An dieser Stelle bereiten auch wir uns auf Weihnachten vor und wünschen Ihnen und Euch frohe Weihnachten, schöne Feiertage, eine entspannte Zeit und tolle Geschenke. Haben Sie und habt es schön!

 

 

 

https://www.brunnvalla.ch/schweden/files/So-feiern-die-Schweden.pdf

https://fannyzanotti.com/best-lussekatter-recipe/

https://www.freedomtravel.se/de/2020/12/staffan-stalledrang/

https://www.freedomtravel.se/de/2020/12/varfor-firar-vi-lucia/

https://www.heiligenlexikon.de/BiographienL/Lucia.htm

http://marysharratt.blogspot.com/2012/12/lussekatter-wild-hunt.html

https://rotary.de/gesellschaft/lichter-des-nordens-a-15219.html

https://siames.ifokus.se/discussion/149698/lussekatt-mot-onda-makter

https://wyrddesigns.wordpress.com/2020/12/11/glad-lussinatt/

https://wyrddesigns.wordpress.com/tag/lussiferda/