Es braucht nur ein Wort, Hygge, und sofort kommen Bilder vor unserem inneren Auge auf:
Gemütliches Fondue zu Silvester mit der Familie,
Glühwein am Lagerfeuer auf dem Weihnachtsmarkt,
ein Abend ganz alleine mit warmen Socken, dem Lieblingsbuch und Kerzenschein (im Hintergrund läuft Norah Jones),
die Wärme und das Knistern des Ofens, während draußen Regen oder Schnee prasseln,
der Duft, der aus der Küche strömt, wo gerade Brot gebacken und gekocht wird.
Wir denken an Situationen, in denen wir uns wohl und geborgen fühlen.
Es gibt tausend Beschreibungen dafür, was Hygge bedeutet, eines haben sie alle gemeinsam:
Das gestresste, immerzu verantwortliche Erwachsenen-Ich bekommt Pause und darf sich entspannen. Und das ganz einfach durch das Glück im Kleinen. Alle Bedürfnisse, die man im Moment hat, werden durch die Hygge-erzeugende Tätigkeit befriedigt. Hygge und Bedürfnisse sind also verknüpft.
Welcher Ort eignet sich besser als die eigene Wohnung, um alle wichtigen Bedürfnisse, von Schutz, Schlaf und Nahrung über soziale Zugehörigkeit bis hin zu Selbstverwirklichung, zu erfüllen? Kaum einer. Daher ist unser Zuhause so zentral, deshalb wollen wir uns hier wohl fühlen. Unsere Zufriedenheit mit dem eigenen Zuhause hat Auswirkungen auf unsere allgemeine Zufriedenheit. Aus diesem Grund kann Design, kann Hygge glücklich machen, unser Glücks-Gefühl wird von unserer physischen Umgebung beeinflusst. Das wussten wir Design-Liebhaber und -Liebhaberinnen schon lange, inzwischen ist es auch wissenschaftlich belegt.
Und wie bekommen wir diese Hygge-Stimmung nun nach Hause?
Wir haben 7 Tipps zusammen gefasst:
1. Hygge durch Kerzen
Sie haben das perfekte Setting für den Abend mit Freunden, aber etwas fehlt noch?
Dimmen Sie das Licht und stellen Sie Kerzen auf. Sie haben schon Kerzen auf dem Tisch stehen?
Stellen Sie mehr dazu.
Der beruhigende Effekt von offenem Feuer, von der lebenden Flamme und ihrem Flackern ist kaum an Hygge zu überbieten. Der gleiche Effekt tritt mit einem Kamin ein. Da die Wenigsten den zur Verfügung haben, müssen Kerzen herhalten.
Wenn wir über Kerzen sprechen, müssen wir auch Licht bedenken. Hygge wird es durch viele kleine, nach unten gerichtete, warme Lichtquellen. Die erschaffen Licht-Inseln. Sehr helles, kaltes Licht hingegen ist nicht hygge. Oder fühlen Sie sich in einem Krankenhaus-Flur wohl?
2. Hygge durch Einrichtung
Wir wissen also: Gefühle hängen mit unserer physischen Umgebung zusammen.
Und Glück kann durch Selbstverwirklichung und sinnstiftende Handlungen entstehen.
Sie wollen glücklicher sein? Richten Sie Ihre Wohnung so ein, dass sie Sie motiviert, Ihrer Lieblings-Beschäftigung nachzugehen!
Nutzen Sie Ihre Wohnung zum Leben und nicht zum Abstellen von Besitztümern. Das heißt, überlegen Sie, was in diesem Raum geschehen soll, welche Funktion er erfüllen soll, und gestalten Sie ihn daraufhin:
Brauchen Sie eine Staffelei zum Malen oder eine Fernseh-Couch zum Chillen? Brauchen Sie eine freie Fläche zum Tanzen oder einen Beistelltisch für Stricksachen?
Misten Sie aus und nutzen Sie nur Gegenstände, die eine bestimmte Funktionalität erfüllen oder mit denen Sie eine persönliche Geschichte verbinden. Diese Gegenstände wirken wie Denkanstöße und bringen gleichzeitig Ihre Persönlichkeit ins Spiel. Lassen Sie Ihre Wohnung zeigen, was Sie geschafft haben, was Sie lieben, wo Sie schon waren - schlicht: wie toll Sie sind. Gerahmte Fotos können das genauso sein, wie ein Sport-Pokal oder der Berber-Teppich aus dem Marokko-Urlaub. Oder die Schreibmaschine von Oma.
Weiter kleine Hacks beim Einrichten sind:
- Stellen Sie Bücher-Regale und Pflanzen auf. Und wenn es Blumen in der Vase sind. Instant Hygge!
- Schaffen Sie Geräumigkeit. Licht lässt Räume größer wirken, genauso wie Ordnung. Räumen Sie also regelmäßig auf und putzen Sie die Fenster. Sortieren Sie Ihre Kommode aus.
- Teilen Sie Räume in kleinere Einheiten ein und nutzen Sie dabei Ecken. Ecken sind besonders gemütlich. Stellen Sie einen Sessel in die Lese-Ecke, grenzen Sie unterschiedliche Bereiche durch Teppiche, Licht-Lenkung oder Farb-Konzepte ab. Behalten Sie dabei das Gesamt-Konzept im Hinterkopf, damit alles stimmig bleibt.
- Machen Sie es sich weich. Nutzen Sie Decken, Kissen und Teppiche. Hygge erlebt man mit vielen Sinnen, vergessen Sie die Haptik nicht.
- Wo wir bei der Haptik sind: Nutzen Sie Materialien, die Sie gerne anfassen. Das sind bei vielen Menschen natürliche Materialien wie Fell, Holz, Keramik oder Wolle. Natürliche Materialien sind hygge. Kunststoff nicht.



3. Hygge durch Natur
Holen Sie sich die Natur nach Hause. Holz, Wolle und Filz machen die Einrichtung ungeheuer gemütlich. Sammeln Sie beim Spazieren im Wald kleine Schätze und dekorieren Sie sie um eine (Überraschung!) Kerze.
Langlebige, vielleicht sogar geerbte Gegenstände sind hygge. Durchdachtes Design, das eine Funktion erfüllt und nicht aus der Mode kommt, ist hygge. Designklassiker sind hygge. Viele günstige Dinge, die man hat, um sie zu haben, hingegen nicht. Verschwendung ist nicht hygge, nachhaltige Materialien schon.
Und wenn Sie aussortiert haben (s.o.), schmeißen Sie die nun ungeliebten Gegenstände nicht weg. Verschenken Sie sie. Organisieren Sie einen Kleidertausch oder eine Speisekammer-Party, bei der alle etwas selbst gemachtes mitbringen und austauschen. Denn wer braucht schon 10 Flaschen Holunderblüten-Sirup oder 12 Gläser Erdbeer-Marmelade?
Hygge lässt sich besonders durch Gegensätze erleben - gerade in Abgrenzung zur wütenden Natur. Draußen im Wind zu stehen, ist nicht hyggelig. Drinnen zu sitzen und die Geräusche im Kaminschacht zu hören, schon. Im Regen zu stehen, macht keinen Spaß. Regen-Tropfen das Fenster herunterlaufen zu sehen und sich an einem heißen Tee zu wärmen, schon.
Deshalb braucht es auch im Norden mehr hygge als in der Nähe des Äquators. Schutz drinnen vor dem nassen, kalten, dunklen Wetter, das ist Hygge!
4. Hygge in der Gemeinschaft
Meik Wiking beschreibt Hygge gerne als eine Umarmung ohne Berührung. Und wo lässt sich das besser erleben, als in Gesellschaft?
Richten Sie einen Abend in der Woche genau für solche Aktivitäten ein. Organisieren Sie einen Brettspiele-Abend bei sich zu Hause und laden Bekannte ein. Freunden Sie sich mit den Nachbarn und Nachbarinnen an und organisieren ein Büchertausch-Regal im Treppenhaus, zu dem alle im Haus beitragen. Treten Sie einem Gemeinschafts-Garten bei. Übernehmen Sie die Initiative für eine Tauschparty, wie oben beschrieben. Kochen und Essen Sie zusammen mit Freundinnen und Freunden. Die Möglichkeiten sind fast grenzenlos, was passt zu Ihrem Leben und Ihrer Umgebung?
Hygge entsteht, wenn alle Anwesenden auf Augenhöhe sind und Gleichheit herrscht. Tragen alle zum Essen bei und sind gleichermaßen eingebunden, entsteht eine besonders hyggelige Gemeinschaft.
Also statt des Auflaufs oder Bratens, den Sie alleine vorbereiten, bieten Sie Tacos oder Wraps, Raclette oder Sommer-Rollen an. Da sind alle beschäftigt. Oder lassen Sie alle Gäste eine Zutat mitbringen und zaubern Sie gemeinsam eine Überraschungs-Suppe!
5. Hygge beim Essen
Ganz wichtig - und vielleicht kommt dieser Hygge-Zauber noch vor dem Kerzen-Effekt - ist die Wirkung von warmen Getränken. Also, bereiten Sie wahlweise Kaffee, Tee, heiße Schokolade, Glühwein (oder was Sie sonst gerne warm trinken) zu. Trinken Sie es aus Ihrer Lieblings-Tasse.
Das Geheimnis bei hygge Ernährung ist der Genuss, nicht die Masse. Gönnen Sie sich süße Teilchen, Schokolade und Kuchen. Gönnen Sie sich ihr Leibgericht ein Mal im Monat. Aber essen Sie nicht zu viel davon, sonst haben Sie es bald über.
Der Prozess des Entstehens und die Beziehung zum Essen machen es hyggelig.
Selbst gekochtes Essen ist immer gut. Noch besser, wenn es voller Vorfreude und Wertschätzung selbst produziert wurde: Selbst angebaute Sprossen und Radieschen von der Fensterbank schmecken hyggelig. Marmelade aus den Brombeeren aus dem Garten genauso. Und das Brot aus dem selbst gezogenen Sauerteig - ein Gedicht! Auch Kefir und Salz-Zitronen sind hyggelig. Bestimmt hat jemand in Ihrem Freundes-Kreis das beste Rezept! (Rezepte aus dem engen Kreis sind hyggeliger, als die aus dem Internet.)
Eine volle Speisekammer, oder die moderne Version dessen, eine volle Tiefkühltruhe mit vorgekochtem Essen - das ist Hygge pur nach einem langen Arbeitstag.
6. Hygge durch Achtsamkeit
Entschleunigung und Genuss sind hygge.
Und das wirkt am authentischsten, wenn Sie sich als Maß nehmen. Richten Sie sich nach den Bedürfnissen des Menschen, körperlich (platzieren Sie schöne Dinge auf Augenhöhe, gestalten Sie bequeme Ecken etc.) und genauso emotional. Bedenken Sie die genannten Erinnerungs-Stücke und Weichheit von Materialien. Bedenken Sie alle Sinne, was riechen Sie gerne? Was fassen Sie gerne an?
Zelebrieren Sie die Jahreszeiten und respektieren Sie Saisonalität.
Erdbeeren an Weihnachten oder Rotkohl im Sommer sind nicht hygge.
Verlangsamen Sie Ihr Essen und kochen Artischocken statt einer Tiefkühl-Pizza. Essen Sie Maroni statt Chips.
Und zu guter Letzt: Kommen Sie gelegentlich vom Digitalen zurück ins Analoge. Schreiben Sie dieses Jahr doch Urlaubs-Karten statt -Mails.
7. Hygge durch Lässigkeit
Hygge entsteht, wenn wir entspannt sind, in uns ruhen und nicht wachsam sein müssen. Wenn Augenhöhe und Gleichberechtigung herrschen (her mit dem runden Tisch ohne Kopfende!) und wenn wir wissen, was uns gut tut und auch einmal ein Auge zudrücken, falls etwas nicht so klappt, wie es geplant war. So können wir uns mit Hygge unseres eigenen Wohlbefindens ermächtigen.
Also sorgen wir dafür, dass wir entspannt sein können. Und das geht, wenn Formalitäten und Luxus außen vor bleiben. Wenn Lässigkeit herrscht.
Unsere Umgebung und somit auch unsere Kleidung beeinflusst, wie wir uns fühlen. Also kleiden Sie sich entspannt. Kuschelig warm, elegant und funktional, aber nicht einengend.
Und gerade diese Lässigkeit lässt uns Hygge so sehr im Gegensatz zum Stress erleben. Warum ist im Winter die Hochsaison von Hygge und Weihnachten ihr Hochfest? Wo doch die ganze Vorweihnachts-Zeit von Geschenke-Kaufen und Plätzchen-Backen, von Stress und Status geprägt ist?
Weil wir das für den Moment der Entspannung, für die Weihnachts-Traditionen und diese Sicherheit tun. Weil wir dieses Glück planen, kalkulieren und vorzubereiten wissen. Und deshalb kann gerade die stressige Zeit um Weihnachten sehr hyggelig sein.
Wenn wir das zu Hause leben und ebenda Glück, Hygge und Zufriedenheit erfahren, schaffen wir es vielleicht ein bisschen mehr, für eine bessere Welt zu kämpfen. Finden einen Ort, um Kräfte zu sammeln - in einer Zeit, die sehr bedrohlich wirken kann.
Und, welchen der Tipps werden Sie als erstes umsetzen?
Tun Sie sich etwas Gutes und machen Sie es sich schön hyggelig zu Hause!
Quellen:
Hugsted, Marie: The little Book of Danish Design. Latvia 2023.
Wiking, Meik: Hygge. Ein Lebensgefühl, das einfach glücklich macht. Köln 2016.
Wiking, Meik: Mein hygge Home. Ein Wohnbuch mit Herz und Seele. Köln 2022.
Wiking, Meik: Lykke. Der dänische Weg zum Glück. Köln 2017.
https://www.duden.de/rechtschreibung/Hygge
https://www.visitdenmark.de/daenemark/erlebnisse/lifestyle-kultur/hygge