Morgen ist in Berlin nicht nur ein Gedenktag zum Ende des 2. Weltkrieges, sondern auch ein gesetzlicher Feiertag, um an die Befreiung vom Nazi-Regime zu erinnern. Am 08. Mai 2025 bleibt unser Geschäft daher geschlossen.
Das nehmen wir zum Anlass, einmal in die Annalen von HARTOG zu blicken, denn schließlich wurde unser Geschäft schon 1936 gegründet und hat den 2 Weltkrieg somit überstanden.
Wie hat Magda Hartog, unsere Gründerin, diese Zeit erlebt? Was geschah mit dem Laden?
Um mehr darüber zu erfahren, haben wir ihren Neffen Michael Hartog über diese Zeit und die Erzählungen seiner Tante befragt.
Er selbst erlebte die Zeit zwar noch nicht, arbeitete aber viele Jahre mit seiner Tante zusammen und kennt alle Episoden, die HARTOG überstanden hat.
Magda Hartog und ihr Geschäft
Beginnen müssen wir kurz vor dem 2. Weltkrieg, und zwar tatsächlich im Jahr 1936, als Magda Hartog - ja was tat sie denn nun..?
Sie gründete eben nicht das Geschäft, sondern übernahm es. Die gebürtige Lübeckerin war nach ihrem Umzug nach Berlin zunächst selbst Kundin in diesem Geschäft auf dem Ku'damm gewesen und stieg 1936 auf den Vorschlag der vorherigen Besitzerin ein, ihr das Unternehmen abzukaufen. Magda Hartog zahlte also eine Ablöse an und beglich regelmäßige Raten.
Im Jahr 1940 war es soweit, sie hatte die letzte Rate abbezahlt und war Alleininhaberin, wie sie stolz in einer Postkarte an ihre Mutter in Lübeck schrieb: "Ab heute gehört mir der Laden."


Magda Hartog links 1940 und rechts Anfang der 1950er
Und so gestaltete sie seit 1936 zunehmend das bestehende Geschäft für Kunsthandwerk in ihrem Stil und mit nordischen Einflüssen. Den übernommenen Namen "Berghof-Laden" behielt sie zu dieser Zeit noch - man musste sich zu schützen wissen, wenn man es sonst mit den Nazis nicht so hatte. Und denen missfielen und missfallen nun Mal alle, die nicht in ihr Denkmuster passen (in unserem Fall eine alleinstehende, selbstbewusste Frau, die ein eigenes Geschäft führt).
HARTOG und die Kriegszeit
Während des Krieges lebte Magda Hartog in Richtung Bahnhof Lietzensee (heute S-Bahnhof Messe-Nord/ICC) in der oberen Kantstraße zur Untermiete. Es ging ihr, wie unzähligen Anderen auch, nicht gut - und das ist ein freundlicher Euphemismus.
Vom Krieg als solches sprach sie nicht viel. Es war nicht ihre Art, zu jammern, sie packte Probleme lösungsorientiert an und wusste, wann sie sich arrangieren musste. Der Betrieb des Ladens lief soweit wie möglich weiter.
Lediglich zwei Anekdoten erzählte sie aus der Zeit:
Wenn Bomben-Alarm war, suchte Magda Hartog in der U-Bahn Schutz, da es für die vielen Menschen in Berlin nicht ausreichend Bunker gab und die U-Bahnen als sicher galten. So verbrachte sie dort viele Stunden.
Im Zimmer, in dem Magda Hartog während der Kriegszeit zur Untermiete lebte, stand ein kleiner Kanonen-Ofen, auf dem eine elektrische Heizplatte für eben eine Person stand, damit sie etwas kochen konnte. Als der Hunger in der schwersten Zeit gar zu schlimm wurde, versetzte Magda Hartog einen ihrer geliebten Ringe mit einem Aquamarin-Stein auf dem Schwarzmarkt, unter anderem für Öl, um sich darin etwas zu braten. Als sie nun zu Hause das kostbare Öl auf eben jener elektrischen Heizplatte erhitzte, blieb sie in dem Moment am Kabel der Platte hängen und stolperte darüber, sodass das Fett auf dem Teppich landete - nun war alles verloren. Der Ring war weg, das Öl war weg, doch ihr Bauch war immer noch leer.
Das Ende des Krieges und die Befreiung
Gegen Ende des Krieges war es nicht mehr möglich, das Geschäft zu betreiben. Magda Hartog hatte einige Stammkundinnen und -kunden, die im Brandenburgischen auf dem Land lebten. So konnte sie, als sich abzeichnete, dass der Krieg in die Stadt kommen würde, einiges an Ware frühzeitig in Wäsche- und Strohkörben dort auf verschiedenen Gütern auslagern. Die restliche Ware deponierte sie gut verpackt im Keller unter dem Ladengeschäft. Und das war auch nötig, denn noch 1945 wurde das Ladengeschäft durch den Krieg komplett zerstört.

Das ausgebombte Geschäft am Ku'damm
Magda Hartog machte sich mit einer Freundin auf den Weg, um nach ihrem Laden zu sehen.
Und siehe da: Während das Haus am Ku'damm ausgebombt war, stand jedoch der Keller voller Ware noch! Nun, die Ware wollte sie so schnell wie möglich dort herausholen und sichern. Gesagt, getan. Die beiden Frauen schafften es, einen Pferdewagen für den Transport zu organisieren.
Doch als sie an den Ort zurückkamen, wo vor Kurzem noch der volle Keller war, mussten sie schmerzlich erfahren, dass der inzwischen leer war. Alles war geplündert worden, nicht einmal die Holzleisten der Türen waren noch da. Die gesamte Ware war verschwunden.
Allgemein herrschte in dieser Zeit Chaos - egal, wer genau das Sagen hatte. Sicherlich, Berlin und Deutschland wurden befreit, doch die Realität der Menschen bedeutete Hunger und Mangel. Am Tag vor der Befreiung Berlins genauso wie am Tag danach. Die Verbesserungen kamen natürlich erst Stück für Stück.
Für viele war es eine Zeit des harten Übergangs, bis neue Strukturen geschaffen wurden. In dieser Zeit kümmerte sich niemand um ein Geschäft mit Kunsthandwerk und Möbeln. Das kam später wieder.
Wir wissen nicht genau, wie und wo Magda Hartog diese Tage erlebte. Wir wissen aber, dass sie und ihr Wille, das Geschäft zu führen, überlebten.



Die Neueröffnung in der Knesebeckstraße.
Wiedereröffnung nach dem Krieg
Magda Hartog war entschlossen, ihr Geschäft wieder zu eröffnen und das passte gut in die Zeit - schließlich wollten sich viele Menschen in den Nachkriegsjahren neu einrichten und hatten dann auch die finanziellen Möglichkeiten, dies zu tun.
Und so startete sie ein Jahr nach Kriegsende erstmals unter ihrem eigenen Namen: Im Jahr 1946 öffnete ihr Geschäft HARTOG in der Knesebeckstraße die Türen.
Allerdings auf der westlichen Straßenseite und weiter vorne in Richtung S-Bahn Bogen, etwa auf der Höhe des heutigen Küchenladens.


Magda Hartog in den 1950ern
7 Jahre später erfolgte 1953 der Umzug an die heutige Adresse neben einer Schusterei. Das Geschäft war damals noch schmaler, dafür aber 2-stöckig. Die Erweiterung im Erdgeschoss erfolgte bald. Insgesamt machte sich Berlin in dieser Zeit enorm.
Als Michael Hartog 1960 das erste Mal in die Stadt kam, um seine Tante zu besuchen, waren kaum noch Ruinen zu sehen, alles war sehr schnell wieder aufgebaut worden.


Und Magda Hartog? Die genoss die Möglichkeiten, die sich nach Kriegsende wieder auftaten: Sie selbst war viel in der Künstlerszene aktiv. Die kreativen und innovativen Köpfe Charlottenburgs waren zu lange mundtot gemacht worden, jetzt erwachte die gesamte Szene wieder.
Und auch für das Geschäft veränderte sich vieles. Der Fokus der Kundschaft weitete sich, Wohnungen wollten ausgestattet und eingerichtet werden und das Interesse der Berlinerinnen und Berliner galt nicht mehr nur deutschem Kunsthandwerk, sondern auch nordischem Design etwa von iittala. Neue Kundschaft kam dazu und die Berliner Prominenz deckte sich bei HARTOG mit der Mode von Marimekko ein.
Magda Hartog wurde schon in den 1950ern in Kopenhagen auf Marimekko aufmerksam, denn sie konnte wieder Messen besuchen und das auch im Ausland.
Kleiner Fun Fact am Rande - Messen funktionierten damals so: Magda Hartog reiste von Berlin mit 4 Koffern an, von denen sie allerdings nur einen benutzte. Die anderen nahm sie leer auf die Messe mit, kaufte dort Ware ein und reiste mit 4 vollen Koffern wieder ab. Das war dann die Ware, die bis zur nächsten Messe angeboten wurde.
HARTOG hat den Krieg überlebt, dank Magda Hartogs Entschlossenheit und Einsatz.
Und bis heute kommen Kundinnen und Kunden, die erzählen, dass ihre Eltern und Großeltern schon bei HARTOG einkauften. So hat HARTOG ein Stück Charlottenburger Stadtgeschichte nicht nur miterlebt, sondern auch mitgeschrieben und auf dieses Erbe sind wir sehr stolz. Das führen wir weiter, solange es nur möglich ist.

Magda Hartog mit ihrem Neffen Michael Hartog
Herzlichen Dank an Michael Hartog für das Gespräch und die Fotos.
Michael Hartog ist der Neffe von Magda Hartog und war von 1983 bis 2008 Inhaber des Geschäfts. Davor arbeitete er seit 1969 bei HARTOG.